Meinung/Archiv
Was es kostet
von Paul-Hermann Gruner
Im Jahre 1999 wurde einem US-Amerikaner 248 000 Dollar Schadensersatz gezahlt. Von einer Schnellimbisskette. Eine Bedienung hatte ihm den kochend heißen Kaffee ans festgeschraubte Tischchen bringen wollen, ließ aber den Becher vor Erreichen desselben fallen. Ihm zwischen die Beine. Schaurig. Die Reproduktionsfähigkeit des Herrn litt nachhaltig, eine fleckige Braunfärbung der Oberschenkelansätze wird der Haut dort nie mehr auszutreiben sein. Die dem Verbraucherschutz freundlich zugeneigten US-amerikanischen Gerichte sprachen dem empfindlich Teilverbrühten die Dollars zu.
Es ist immer gut zu wissen, was es kostet. Nicht nur in den USA. Aber dort vor allem. 50 Dollar Strafe kostet es zum Beispiel im Bundesstaat Virginia, wenn man seine Hosen zu weit runterhängen lässt. Wegen der Mode. Genauer gesagt: Man muss zahlen, wenn die Unterwäsche sichtbar wird. Dies sei als grobe sittliche Provokation nicht hinzunehmen. Apropos Sitte. Wenn es um die geht, wollen wir noch mehr wissen. Zum Beispiel, wieviel Wiedergutmachung und Haftentschädigung die Guantanamo-Häftlinge nach ihrer Entlassung vom US-Staat fordern werden – wenn schon heiße Hoden 248 000 Dollar gebracht haben, und das 1999. Und: Wie viel Strafe kostet in den USA eigentlich ein unter Etikettenschwindeln geführter Angriffskrieg? Darüber sollte mal ehrlich die Hose runtergelassen werden. Samt Unterwäsche.
Was es kostet, zu sterben, ist allgemein bekannt: es kostet das Leben. Bei US-Soldaten lohnt das Sterben seit kurzem mehr denn je – für die Verwandschaft, wie man richtig vermutet. Präsident George Dabbelju Bush hat das Sterbegeld drastisch erhöht. Für jedes tote Soldatenwerkzeug gibt es jetzt 100 000 Dollar für die Hinterbliebenen. Das ist doch wirklich anständig. Bei der Summe bleiben Fragen nach der Sitte und ihrem Verbleib einfach jedem im Halse stecken.
Quelle: "Darmstädter-Echo" vom 12.02.2005