Meinung/Archiv

Waldheims Pferd

 Österreichs Ex-Staatspräsident Kurt Waldheim starb mit 88 Jahren. Damit wurde am Donnerstag eine alte Weisheit bestätigt: Täter leben doch eine ganze Ecke länger als ihre Opfer. Waldheim war darüber hinaus die leibhaftige Verkörperung des Verdachtes, dass es einen österreichischen Filbinger geben müsse. Inzwischen gibt es beide nicht mehr, aber erledigt hat sich gar nichts.

Nie hätte der Kurt zehn Jahre lang die Vereinten Nationen an ihrer obersten Stelle repräsentieren können, wäre bei Beginn seiner Amtszeit in New York City, 1971, bekannt gewesen, welchen unpolitischen Sportvereinen der jüngere Waldheim in der NS-Zeit so angehört hatte. Als da waren der NS-Studentenbund und die Reiter-SA. Später, als Kurt in der Republik Österreich auch noch Präsident werden wollte und dann sogar wurde (1986–1992) – nicht wundern: Österreicher fühlen sich heute noch als erste Opfer Hitlers und nicht als dessen primäre Schöpfer –, unterschrieb sogar der damalige Gegenkandidat Fred Sinowatz von der SPD die Unschuldsbeteuerungen Waldheims mit dem Satz: „Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“

Das war der Ausweg für Kurt. Sein Pferd war schuld, es hatte die NSDAP-Parteimitgliedschaft, es selbst war im SA-Reiterverein, vor allem: dieser mehr als störrische und selbstverliebte Gaul, der war es auch, der als Ordonnanzoffizier im Wehrmachtsstab der Heeresgruppe E im griechischen Saloniki mithalf, Juden und uneinsichtige Partisanen – sagen wir es so: zahlenmäßig zu reduzieren.

Wann das Pferd Waldheims starb, ist nicht überliefert. Waldheim starb am Donnerstag. Sein Gewissen wurde schon vor Jahrzehnten anonym bestattet.

Quelle: "Darmstädter-Echo/Echo-Eck" vom 16.06.2007

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