Meinung/Archiv
Treue
von Paul-Hermann Gruner
"Rewe" ordnet alles neu. Der drittgrößte europäische Einzelhandelsriese löst bald seine Marke "Minimal" auf. Das heißt, die herrlichen Flachdachmärkte bleiben uns erhalten, aber auf ihren langen Flanken steht in Bälde "Rewe" drauf. Ein neues Logo wird entworfen. Das Ganze ist so nötig wie die Umbenennung der Sonne.
Irgendwie haben es die Management-Knaben immer noch nicht geschnallt. Man entfremdet und befremdet den Kunden gefälligst nicht. Aber so machen sie es permanent. Wer heute Post bekommt, hört durch die Sprechanlage von Mitarbeitern dieses Unternehmens, es käme ein Päckchen von De-Ha-Ell. Steht auch dick und dämlich auf den Lastern drauf. Potthässlich. Wer bitte ist DHL? Was ist DHL? Zu Schulzeiten war’s im Englisch-Unterricht das Kürzel für D. H. Lawrence. Der war Engländer, starb 1930 mit 76 Jahren in Nizza, bringt aber nun die Post. Ein Durcheinander sondergleichen. Und so ist es allenthalben. Einfaches wird kompliziert, um vollkommen Vertracktes hinterher dem erschöpften Publikum als geniale Lösung andrehen zu können.
Beziehungen zu einer Marke kann niemand mehr aufbauen. Tugenden werden diskreditiert. Treue wird demontiert. Was sollen da alte Paare sagen. Die haben sich auch nicht abschnittsweise umbenannt. Um sich auf billige Art interessant zu machen. Schon gar nicht, um die Rendite zu erhöhen. Die Erna hat eben nicht neun Jahre mit Georg, vier mit Walter und noch mal sieben mit Waldemar zu tun gehabt. Nein, es war eigentlich immer derselbe Otto, mit dem sie Zoff hatte. Das ist Treue.
Quelle: "Darmstädter-Echo" vom 25.01.2006