Meinung/Archiv

Strahlgeschichten

von Paul-Hermann Gruner

Die Sendung mit der Maus ist extrem wichtig. Wie wüsste man sonst, dass der Leim der ersten Briefmarken aus tropischen Akazienbäumen hergestellt war (um den bitteren Geschmack beim Anlecken zu lindern). Oder dass eine Briefmarke, die schwedische Tre-Skilling-Banco aus dem Jahre 1855, heute 1,7 Millionen Euro kostet und dennoch nichts nützt. Keinen einzigen Brief kann man mit ihr auf die Reise schicken.

Heutzutage wird eben auch ganz anderes verschickt. Zum Beispiel Castoren. Dies geschieht einerseits vollkommen ohne Briefmarken, ist andererseits aber nicht billiger. Leider. Denn die Castoren werden begleitet. Beim jüngsten Transport von zwölf Castoren, eine Sendung aus dem französischen Städtchen La Hague, begleiteten 10 097 deutsche Beamte die Lieferung ins nette niedersächsische Örtchen Gorleben.

Niemand musste Briefmarken lecken für die zwölf enorm schwer geratenen Päckchen, dafür fiel auf deutscher Seite diese Begleitgebühr an. Satte 21 Millionen Euro allein für die Strecke in Niedersachsen. Zu teuer? Nein, für zwölf so riesengroße Castoren sei das ganz in Ordnung, sagen Minister in Hannover und Berlin.

Weil die Päckchen nun aber zu früh angekommen sind, mehr als sechs Wochen vor Weihnachten, müssen sie sehr, sehr gut versteckt werden. Das – pssssst! – Postgeheimnis wird in einem Salzstock bewahrt, der Zwischenlager heißt. Da kann niemand an die Päckchen ran, schon gar nicht, um sie vorzeitig zu öffnen oder mal reinzugucken.

Das wäre soweit in Ordnung. Bescherung lebt nun mal vom Unwissen des Beschenkten. Jetzt besagen Gerüchte aber, die Päckchen sollen mindestens bis Weihnachten 12004 verschlossen bleiben. Das sind zehntausend Jahre! Gut fünfmal die Strecke von Jesus Christus zu uns. Und auch 12004 -heißt es- würde keiner sehen wollen, was drin ist.

Also: Wer schickt uns solche Päckchen? Muss man sie annehmen? Kann man nicht so tun, als wäre man nicht zuhause?

Wird Zeit, dass die Maus alles erklärt. Eine adventliche Sach- und Lachgeschichte über Brennelemente. In dunkler Zeit das passende Thema. Zum Strahlen.

Quelle: "Darmstädter-Echo" vom 16.11.2004

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