Meinung/Archiv

Transatlantischer Kick oder Der Klinsmann-Effekt

von STEFAN BEHR

Washington, Weißes Haus. Missmutig schaut George W. Bush aus dem Fenster des Oval Office, neben ihm Condoleezza Rice, die Stirn in Sorgenfalten gelegt. Draußen auf dem Rasen watschelt ein Trupp Soldaten mit Gummibändern um den Knien lustlos über den Rasen.

Bush: "Der Kerl müsste längst wieder da sein. Der Truppe fehlt Saft und Kraft. Und er ist der Einzige, der die Jungs richtig motivieren kann. So wird das nichts mit Iran."

Rice: "Er hat angerufen. Kann nicht kommen, sagt, es gebe Ärger in Deutschland. Wird noch ein Weilchen dauern, sagt er."

Bush (zornig): "Ärger in Deutschland, Ärger mit Deutschland... ich kann dieses Deutschland nicht leiden. Sind die eigentlich für oder gegen uns?"

Rice: (nach kurzer Denkpause): "Eher für."

Bush: "Dann kommt ein direkter Angriff nicht in Frage?"

Rice: "Eher nein."

Bush: "Ich habe gleich gesagt, dass das nicht gut geht, aber der saubere Herr wollte ja nicht hören: ,Doppelbelastung, kein Problem. Werde die meiste Zeit in den USA sein. Kann auch von Deutschland aus arbeiten. Bullshit, man kann nicht zwei Armeen parallel trainieren."

Rice: "Keine Armee. In Deutschland trainiert er die Fußball-Nationalmannschaft."

Bush: "Was soll das denn sein?"

Rice: "Fußball ist in Deutschland so was ähnliches wie bei uns Baseball, nur ganz anders."

Bush: "Aha. Spielen wir auch Fußball?"

Rice: "Eher nicht.

Bush: "Dann will ich ihn hier sehen, verdammt nocheins! Ich bereite einen Angriffskrieg vor! Da hat ein Trainer präsent zu sein, vor allem, wenn er so seltsame Trainingsmethoden hat."

Rice: "Er sagt, es gehe einfach nicht. Seine Landsleute seien völlig meschugge, weil dieses Jahr Weltmeisterschaften im eigenen Land seien. Und den wahren Grund für seine vielen USA-Aufenthalte dürfte keiner erfahren, die Deutschen seien solche Kriegsmuffel. Wenn ich recht verstanden habe, hat der Kaiser persönlich ihm die Ausreise verboten."

Bush: "Kriegsmuffel, dass ich nicht lache! Erst den Hals nicht vollkriegen und dann herummemmen. Wir hätten diesen Kaiser nach dem Zweiten Weltkrieg absetzen sollen. Der macht ja noch mehr Ärger als dieser Kanzler, wie hieß der noch mal... Shredder oder so ähnlich..."

Rice: "Schröder. Und das mit dem Kaiser ist mir selbst nicht ganz klar."

Bush: "So geht`s jedenfalls nicht weiter. Der Kerl muss her. Wie viele Spieler braucht man denn für diesen Fußball?"

Rice: "Ich glaube elf. Muss ich aber noch mal bei der CIA nachfragen."

Bush: "Hören Sie: Nehmen Sie ein Dutzend unserer härtesten Jungs und stecken Sie die in Sportler-Fummel. Dann beraumen Sie ein Spiel gegen die Deutschen an. Noch bevor das Spiel beginnt, ist der Kerl im Sack und auf dem Rückflug in die USA. Ich lass mich auch von einem Kaiser nicht aufhalten. Und dann wird hier wieder trainiert, dass der Mullah wackelt."

Rice: "Jawohl, mein Präsident."

Am 22. März löste sich das Problem Klinsmann auf wundersame Weise. Deutschland besiegte die USA 4:1

Quelle: „Frankfurter-Rundschau“ am 18.03.2006 

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