Amerika,
Du hast es besser, als unser Kontinent, der alte. Hast keine verfallenen
Schlösser und Basalte.“ Das wusste schon unser alter Goethe. Wohl wahr. Dafür
hat Amerika schon seit 1946 die Supermarktkette Seven/Eleven. Benannt nach den
Öffnungszeiten von morgens bis kurz vor Mitternacht. Und das zu einer Zeit, als
in Deutschland noch abends um sechs die Gehsteige hochgeklappt wurden.
Längst hat Seven/Eleven
rund um die Uhr geöffnet.
Jeder Tag ein Tag der offenen Tür in Amerika. Damit aber ist jetzt Schluss:
„Government Shutdown“. Das Parlament bewilligt kein Geld mehr, Behörden und
Museen bleiben zu. Amerika, das Land der unbegrenzten Ladenöffnungszeit, ist
wegen politischer Inventur geschlossen.
Früher spotteten Männer
wie Henry Kissinger: „Wen rufe ich an, wenn ich Europa anrufen will?“ Heute
muss der Europäer fragen: „Wer nimmt noch ab, wenn ich Amerika anrufe?“ Haben
die Fernmeldesaboteure der Tea Party im Oval Office bereits die Telefone
abgeklemmt? Muss auch Obama Zwangsurlaub machen, auf Martha’s Vineyard?
Und vor allem: Wer
interessiert sich noch für uns? Der NSA-Skandal war ja nie ein Skandal, weil
wir alten Europäer froh waren, dass am anderen Ende eines Überseekabels
Menschen saßen, die es wichtig fanden, was wir twittern und posten, mailen und
murmeln. Was, aber wenn der Geheimdienst auf Geh-Heim-Mission geschickt wird?
Ach, Amerika, bitte hör doch wieder zu, lies doch wieder mit. Es ist so einsam
hier mit unserem Goethe zwischen all den alten Schlössern und Steinen.
Quelle: "Darmstädter-Echo/Echo-Eck"
vom 04.10.2013
* anlässlich der US-Haushaltskrise, in deren Folge diverse öffentliche Einrichtungen in den USA geschlossen wurden.