Meinung/Archiv


Heute geschlossen*

von Stefan Benz

Amerika, Du hast es besser, als unser Kontinent, der alte. Hast keine verfallenen Schlösser und Basalte.“ Das wusste schon unser alter Goethe. Wohl wahr. Dafür hat Amerika schon seit 1946 die Supermarktkette Seven/Eleven. Benannt nach den Öffnungszeiten von morgens bis kurz vor Mitternacht. Und das zu einer Zeit, als in Deutschland noch abends um sechs die Gehsteige hochgeklappt wurden.

Längst hat Seven/Eleven rund um die Uhr geöffnet.
Jeder Tag ein Tag der offenen Tür in Amerika. Damit aber ist jetzt Schluss: „Government Shutdown“. Das Parlament bewilligt kein Geld mehr, Behörden und Museen bleiben zu. Amerika, das Land der unbegrenzten Ladenöffnungszeit, ist wegen politischer Inventur geschlossen.

Früher spotteten Männer wie Henry Kissinger: „Wen rufe ich an, wenn ich Europa anrufen will?“ Heute muss der Europäer fragen: „Wer nimmt noch ab, wenn ich Amerika anrufe?“ Haben die Fernmeldesaboteure der Tea Party im Oval Office bereits die Telefone abgeklemmt? Muss auch Obama Zwangsurlaub machen, auf Martha’s Vineyard?

Und vor allem: Wer interessiert sich noch für uns? Der NSA-Skandal war ja nie ein Skandal, weil wir alten Europäer froh waren, dass am anderen Ende eines Überseekabels Menschen saßen, die es wichtig fanden, was wir twittern und posten, mailen und murmeln. Was, aber wenn der Geheimdienst auf Geh-Heim-Mission geschickt wird? Ach, Amerika, bitte hör doch wieder zu, lies doch wieder mit. Es ist so einsam hier mit unserem Goethe zwischen all den alten Schlössern und Steinen.

Quelle: "Darmstädter-Echo/Echo-Eck" vom 04.10.2013

* anlässlich der US-Haushaltskrise, in deren Folge diverse öffentliche Einrichtungen in den USA geschlossen wurden.

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