Meinung/Archiv
Fahrende Holländer
VON RALPH BAUMANN
Es sollten vier entspannende Tage werden. Mit
vermeintlich problemloser Anreise.
Bis Hockenheim gilt: Freie
Fahrt für freie Bürger. Doch dann geht nichts mehr, denn plötzlich sind sie
da.
Ohne Vorwarnung! Die
Holländer!
50 Kilometer pro Stunde,
mehr ist jetzt nicht mehr drin. Stop and Go bis in die Alpen.
Frust! Von wegen
Erholung!
Waren das noch Zeiten,
als die Niederländer nur im Sauerland einfielen. Holländische Alpen heißt
die Gegend seitdem. "Unser Sauerland reicht Euch wohl nicht mehr?" möchte
man Ihnen zurufen - und ein "anständige Menschen feiern Weihnachten zu Hause mit
Oma und Opa und fahren erst dann weg" gleich hinterher. Omas und Opas haben
jedoch ebenfalls Platz genommen in all den üppigen holländischen
Geländewagen (müssen die ein Geld verdienen!), noch dazu sind die Oranje-Großfamilien
gut gelaunt. Na ja, sie sind`s ja gewöhnt, aufeinander zu kleben wie hier auf
der A 8, schließlich leben dort pro Quadratkilometer
doppelt so viele
Menschen wie in Deutschland.
Seit der Fahrschule
nicht mehr so intensiv Anfahren-am-Berg geübt wie am Aichelberg. Ein holländischer Van
ist rechts in die Leitplanke gekracht. Autofahren können sie also nicht,
Skifahren offenbar auch nicht. Oder ist von den zahllosen Niederländern, die uns
den Platz auf Österreichs Pisten wegnehmen, schon mal einer im Weltcup aufgetaucht?
Wir haben eine Maria Riesch, aber was habt ihr?
Stunden später ist der
Wilde Kaiser erreicht. Man sehnt sich nach Ruhe, doch halb Amsterdam ist schon da.
Bis vor wenigen Jahren seien die Holländer allenfalls nach Vorarlberg oder ins
westliche Tirol gekommen, doch nun hätten sie offenbar ganz
Tirol ins Herz
geschlossen, freut sich eine Mitarbeiterin der Touristeninformation.
Wir freuen uns nur noch
auf die Sauna. Auf Schwitzen und ein wenig Dösen.
Das eine klappt, das
andere nicht, denn sämtliche Liegen sind reserviert. Von wem? Von Deutschen natürlich.
Also zähneknirschend ab ins Bistro des weitläufigen Sporthotels in Ellmau.
Die dort versammelten
Holländer integrieren uns. Sind eigentlich lustige, unkomplizierte Leute.
Finden Liegen-Reservieren spießig und unverschämt.
Wir verstehen uns.
Nein,
das haben sie wirklich nicht verdient, dass sie bei allen wichtigen
Fußball-Meisterschaften so früh ausscheiden.
Quelle:
"Darmstädter-Echo/Sonntags-Echo" vom 31.01./01.02.2009