Meinung/Archiv
Erkenntniskosten
von Paul-Hermann Gruner
Das Wichtigste zuerst: 37 500 Schokoriegel und genauso viele Frikadellen werden die Polizisten während des Einsatzes essen. Der Einsatzgrund: Bush in Stralsund.
Der Deutschland-Besuch des US-Präsidenten ist eine ABM-Maßnahme. 12 500 Polizeibeamte sind auf der Straße, 2300 Gullydeckel werden zugeschweißt, 580 Kilometer Straßen abgesperrt. Am Strand vor Heiligendamm, wo Bush übernachten wird, werden Fischschwärme großräumig umgeleitet, der harsche Ostsee-Küstenwind wird gen Finnland herumgedreht, Vogelschwärmen wird ein Flugumleitungskorridor südlich Schwerin zugewiesen. Dreisprachige Flugblätter mit allen Angaben halten speziell instruierte Info-Möwen bereits in der Luft bereit.
Bush sagte: „Vor Jahrzehnten lebten Millionen von ihnen in Dunkelheit und Tyrannei. Heute ist ihr Land in der Mitte Europas.“ Merkel sagt: „Wir wissen, dass wir den Vereinigten Staaten zu verdanken haben, dass wir in Frieden und Freiheit gemeinsam heute in einem Land leben können.“
Anmerkung zu Bush: Die Dunkelheit war bereits vor der DDR erfunden. Gegen sie wurde meist die volkseigene Glühbirne in Stellung gebracht. Und die Tyrannei? Viele DDR-Bürger behaupten munter, davon hätten sie gar nichts mitbekommen. Und in der Mitte Europas? Haben wir Deutschen uns, eventuell zur Prüfung aller, schon immer befunden. Hundert Pro.
Anmerkung zu Merkel: Nein, zum Glück leben wir heute nicht mit den Vereinigten Staaten gemeinsam in einem Land.
Was bleibt vom Bush-in-Stralsund-Abenteuer? Die zweite Silbe, also das teuer. 12 bis 16 Millionen Euro kosten die Sicherheitsmaßnahmen. Ordentlich Zaster für staatsmännische wie -frauliche Nullmeldungen.
Aber die Erkenntnis, nicht mit Bush in einem Land zu leben, ist uns halt was wert.
Quelle: "Darmstädter-Echo" vom 14.07.2006