Meinung/Archiv

 

Durchgefallen

VON RAINER H. SCHLENDER

Es ist ein Schmierentheater der Extraklasse. Der Bundesminister der Verteidigung führt sich auf wie dieser Wilderer, den man aus Witzblättern kennt: Als ihn der Jagdpächter erwischt und auf den toten Rehbock deutet, stößt der Strauchdieb ein erstauntes "Huch" aus - hat er gar nicht gemerkt, dass da etwas auf seinen Schultern liegt!   

Karl-Theodor zu Guttenberg ist sogar noch eine ganze Weile wie ein Hagestolz durch den Forst spaziert und hat dreist behauptet, es gebe diesen Bock gar nicht, dessen Schweiß für alle sichtbar an seinem Rock  herunterrann. Erst am Montagabend schaltete er auf Demut um und gab zu, dass in seiner Doktorarbeit "Blödsinn" steht, dass sie "gravierende Fehler" enthält, die dem "wissenschaftlichen Kodex" nicht  entsprechen. 

Das alles hatte er nicht während der sieben Jahre festgestellt, in denen er angeblich an der Dissertation arbeitete; auch nicht, als er sie seinerzeit vor dem Promotionsausschuss verteidigte - diese Erleuchtung befiel ihn, als er die Arbeit übers Wochenende mal wieder in die Hand nahm. Wer dem Minister diese Geschichte abnimmt glaubt auch, dass der Klapperstorch die kleinen Babys bringt. 

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Guttenberg seine neue Verteidigungslinie im hessischen Kelkheim markierte. Die hiesige CDU weiß aus der Erfahrung mit ihrer widerwärtigen Schwarzgeldaffäre, dass  man mit Glück, Trotz und einem Fuder Korpsgeist auch die schlimmsten Situationen überstehen kann. Hinterher sei man stärker als je zuvor, rief Ministerpräsident Volker Bouffier dem Gast aus Franken auch 
noch aufmunternd zu. 

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und Horst Seehofer von der CSU haben beschlossen, die Affäre durchzustehen. Sie sind ganz offensichtlich der Auffassung, dass es ihnen mehr nützt als schadet, wenn sie zu  dem falschen Doktor halten, der immerhin - ebenfalls ohne große Anstrengung - zum beliebtesten Politiker Deutschlands promoviert worden ist. 

Es ist aber ein Fall von Rosstäuscherei, wenn Guttenberg die Bürger glauben machen will, er könne den Titel einfach zurückgeben und die Sache sei damit erledigt. Die juristische Fakultät der Universität Bayreuth  darf nicht einfach Danke sagen und Guttenbergs Hut zurück in die Kleiderkammer bringen: Sie muss darüber urteilen, ob sie betrogen worden ist. Die Faktenlage ist erschütternd, das Ergebnis absehbar. Aber darf ein Ladendieb auf Absolution hoffen wenn er erklärt, er werde die geklauten Silberlöffel nie wieder benutzen? 

Von welchem Schlag Minister Guttenberg ist, zeigt mehr noch als alle dreisten Vertuschungsmanöver sein Versuch, hinter den Bundeswehrsoldaten in Deckung zu gehen, die in Afghanistan getötet wurden. Es gebe doch Wichtigeres als ihm nachzuweisen, dass er in seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, sagt er entrüstet an die Adresse der Medien und wirft ihnen vor, der demokratischen Kultur in Deutschland zu schaden. Natürlich gibt es Wichtigeres als einen Minister, der sich allem Anschein nach einen akademischen Titel erschlichen hat. So billig kommt man aber nicht davon. 

Denn es geht doch nicht um die Frage, wie man Guttenberg nach den Regeln der Höflichkeit ansprechen muss. Hier kommen Dinge ans Licht, die auch einem jungen Mann das Genick brechen könnten, der sich  um eine Stelle bei der Bank oder in einer Rechtsanwaltskanzlei bewirbt. 

Die Bundeskanzlerin und die CSU haben völlig Recht wenn sie sagen, dass ein Minister keinen Doktortitel braucht. Aber er sollte Anstand besitzen, der Wahrheit verpflichtet und glaubwürdig sein. Oder fände Angela Merkel nichts dabei, ein Kabinett von Hochstaplern und Schwindlern zu führen? 

Die Doktor-Affäre ist unversehens zur Nagelprobe geworden - der Bundesminister der Verteidigung wurde einem Charaktertest unterzogen. Er ist mit Pauken und Trompeten durchgefallen! 

Quelle: "Darmstädter-Echo/Leitartikel" vom 23.02.2011



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