Meinung/Archiv

Arme Reiche

von Achim Preu

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Könnte man flugs entgegnen. Hier freilich ist dieser nur zu berechtigt. Denn was sich Madeleine Schickedanz dabei gedacht hat, in der Öffentlichkeit ihre ach so schlechte wirtschaftliche Lage zu beklagen, das ist nur peinlich. Sie verhöhnt damit die Quelle- und Karstadt-Beschäftigten, die um ihre Existenz fürchten. Und all die anderen, die im Niedriglohnsektor tätig sind.

Sollte ein PR-Experte bei dem abstrusen Interview mitgewirkt haben, droht dem jedenfalls Arbeitslosigkeit mangels Kompetenz. Die Milliardärin - ob ex oder nicht - zuletzt Nummer 277 auf der weltweiten Forbes-Liste, hat dokumentiert, dass ihr Kontakte zur realen Welt abgehen. Wie sonst könnten der Italiener um die Ecke, der Einkauf beim Discounter oder die Kräuter aus dem eigenen Garten -schlappe 20 000 Quadratmeter groß- als Makel empfunden werden. Das kann nur Sarkasmus hervorrufen. Der Diskussion um die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich hat Madeleine S. einen Bärendienst erwiesen. Genau diese Art von Selbstmitleid reicher Menschen treibt normale Steuerbürger in pure Verständnislosigkeit.
Oder ist Schickedanz nicht irgendwie nur ein Spiegelbild der Gesellschaft? Da wird bei den kleinsten Zugeständnissen von Gut- und Doppelverdienern ein Klagelied angestimmt, dass man die letzten Hemden zusammensuchen möchte. Sich den eigenen Wohlstand vor Augen zu führen, das gelingt den wenigsten. Echte Armut ist etwas anderes. Und die gibt es hierzulande reichlich. Weil sie versteckt-verschämt im Schatten lebt, wird sie kaum gewahr.
Manche müssen für 600 Euro, wie von Frau Schickedanz beklagt, einen Monat lang arbeiten gehen. Ein schwacher Trost für die Erbin des Quelle-Gründers dürfte die Tatsache sein, dass auch andere viel verloren haben. In der Krise ist die Zahl der Milliardäre um ein Drittel geschrumpft. Um aber aufs aktuelle Niveau der armen Madeleine zu kommen, muss unsereins den Lotto-Jackpot knacken mit den bekannten Chancen: Nahe Null.

Quelle: „Darmstädter-Echo/Wirtschaft/Kommentar“ am 22.07.2009

 schließen